Noch bis zum 1. Mai können sich experimenta-Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung „Darm mit Charme“ auf eine kuriose Reise durch den menschlichen Körper begeben. Sie basiert auf dem gleichnamigen Buch der Autorin Giulia Enders; von ihrer Schwester Jill Enders stammen die Illustrationen. Im Interview sprechen die beiden darüber, welche vielfältigen Möglichkeiten die Transformation des Bestsellers in eine Mitmachausstellung bietet.
Giulia, am Anfang des Projekts „Darm mit Charme“ stand die Frage eines WG-Mitbewohners zum Thema Stuhlgang. Wie hat sich daraus die Idee zum Buch entwickelt?
Giulia Enders (GE): Nach dieser Frage machte ich bald bei einem Science Slam mit. Dabei stellen Forschende vor, was sie fasziniert. Ein Video dieses Science Slams ging online und verbreitete sich rasant. Daraufhin fragte mich eine Literaturagentin, ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch zu schreiben. Ich dachte: Probieren kann ich es ja mal.
Wie kamst du als Illustratorin dazu, Jill?
Jill Enders (JE): Als Giulia mir am Telefon zum ersten Mal vom Darm erzählt hat, war ihre Begeisterung darüber ansteckend. Ich hatte Bilder im Kopf und begann zu zeichnen – schon hatten wir einen Anfang für den Science Slam. Wir haben dabei gemerkt, dass wir uns gegenseitig anspornen und weiterbringen.
GE: Wir nennen das Gedanken-Ping-Pong. Es macht Spaß – und ich denke, das spüren die Leserinnen und Leser auch.
Euer Buch ist ein spannendes Wechselspiel von Worten und Bildern. Was war zuerst da? Die Worte? Oder haben die Zeichnungen die Sprache inspiriert?
JE: Beides. Es geht immer mal hin und her. Manchmal hakte es am Text und beim „Darüber-Sprechen“ entstand ein Bild, das es besser erklärte als Worte – oder anders herum. Am meisten Arbeit floss in den richtigen Ton. Ein Schließmuskel darf ruhig freundlich aussehen oder ein kauender Mund wie eine Tänzertruppe – Hauptsache, das Wesentliche kommt dabei raus. In diesem Punkt haben wir uns immer gegenseitig geprüft: Giulia die Bilder und ich den Text. Nur so konnten wir sicher sein, dass auch andere uns verstehen.
Nun ist „Darm mit Charme“ als interaktive Ausstellung in der experimenta zu sehen. Was ist dort anders als im Buch?
GE: Dreidimensional haben wir ganz andere Möglichkeiten mit dem Wissen zu spielen. In der Ausstellung gibt es zum Beispiel eine Station, in der Besuchende Lebensmittel einscannen, wie im Supermarkt, aber auf einem Bildschirm angezeigt bekommen, wie viel Ballaststoffe darin enthalten sind. Daraus wird schnell ein Wettkampf: Wer ernährt die eigenen Darmbakterien besser? Jill und ich haben das schon ehrgeizig gegeneinander ausgefochten.
JE: Auch einen echten Darm so zu zeigen, wie wir ihn gerne präsentieren möchten, war für uns ein Highlight. Die Körperausstellungen, die wir kennen, färben Organe mit Farbstoffen ein oder lassen sie glänzend und plastikartig erscheinen. Unser echter Darm ist so, wie er wirklich aussieht, wenn das ganze Essen und das Blut fehlen: weiß und sauber, wie ein Gebilde aus Papier.
Die Konzeption einer Ausstellung war für euch Neuland. Wie war es, dabei zu sein?
JE: Wir haben mit einem Team aus Frankreich, Finnland und Portugal zusammengearbeitet. Das war menschlich sehr nett und es war auch gut, dass alle anderen schon so viel Erfahrung beim Kreieren einer Ausstellung hatten. Wir waren allerdings überrascht, wie viel verboten war.
GE: Immer wieder hieß es, vor allem aus Frankreich, wenn wir eine Idee für ein Ausstellungsobjekt eingebracht haben: Nein, das essen die Leute! Oder: Da treten sie drauf und versuchen es von der Wand abzureißen. Seitdem haben wir einen ziemlich witzigen Eindruck von französischen Museumsbesuchenden… das ist sicher.
JE: Und jetzt ist sicher nichts mehr essbar oder von der Wand abreißbar!
Seit dem Erscheinen des Buches sind mittlerweile mehrere Jahre vergangen. Gibt es inzwischen neue Erkenntnisse zum Ausnahmeorgan Darm?
GE: Unzählbar viele! Die Anzahl der veröffentlichten Studien zum Thema „Mikrobiom“, also der Mikroben in und auf uns, steigt fast exponentiell. Im Jahr 2021 waren es etwa 25.000 Stück. Kein Wunder, dass es da als Ärztin oder Arzt nicht möglich ist, immer up to date zu sein. Gute Wissensaufbereitung wird in dieser schnellen, riesigen Welt immer wichtiger.
„Darm mit Charme“ vermittelt ein sensibles Thema einem großen Personenkreis verständlich und unterhaltsam. Was für ein Feedback gab es aus der Fachwelt zu eurem Buch?
GE: Sehr schönes Feedback. Hilfreiche Hinweise oder auch lustige Zusendungen: wie einen Kefir-Pilz, den ich in höchsten Ehren weiterzüchte.
Zu guter Letzt, was ist eure Lieblingsstation in der Sonderausstellung „Darm mit Charme“?
GE: Das Exponat des echten Darms ist schon toll. Wenn ich vor ihm stehe, bin ich beeindruckt von der Schönheit und werde jedes Mal ruhig und dankbar. Bei so etwas kann ich meiner Schwester absolut vertrauen – wenn ich sage: Ich habe Angst, dass sie ihn so „aderig“ und „schauderig“ machen, dann weiß sie einen Weg, telefoniert mit den Plastinatoren und am Ende ist er genau richtig und wunderbar.
JE: Ich mag die Bakterien, die, wenn man sie antatscht, etwas Lustiges von sich erzählen. Das versteht mittlerweile auch mein fünfjähriger Sohn und muss lachen. In solchen Momenten habe ich das Gefühl, unsere Freude an der Sache hat es auch in diese Ausstellung geschafft und wird von dort aus weitergetragen.
GE: Ping-Pong eben.
Zur Person:
Giulia Enders ist approbierte Ärztin. Sie forschte für ihre Doktorarbeit am Institut für Mikrobiologie in Frankfurt am Main und wurde 2012 durch ihren Science Slam-Vortrag „Darm mit Charme“ bekannt, der zum YouTube-Hit wurde. Jill Enders ist diplomierte Kommunikationsdesignerin mit dem Schwerpunkt Wissenschaftsvermittlung. Sie lebt und arbeitet in Karlsruhe.
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