Noch bis zum 1. September gastiert die Ausstellung „Power2Change: Mission Energiewende“ in der experimenta. Sie beleuchtet den Weg in eine klimaneutrale Zukunft und präsentiert Lösungsansätze für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Im Interview schildert die Technikphilosophin Janine Gondolf vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), warum es wichtig ist, die Möglichkeiten und Folgen der Energiewende für alle sichtbar zu machen.
Viele Menschen befürchten, dass im Rahmen der Energiewende die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährdet ist. Zu Recht?
Die Versorgungssicherheit ist seit 2006 sogar kontinuierlich gestiegen, während der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung zugenommen hat. Die weitere Entwicklung hängt von vielen Faktoren ab. Das deutsche Stromnetz ist wie ein Flaschenhals, denn es ist eine gewachsene Struktur: Wo lange Zeit wenige Großerzeuger Haushalte und Unternehmen versorgten, gibt es nun viele Nutzungsformen. Wer zum Beispiel ein Elektroauto mit einer Wallbox lädt oder eine Solaranlage betreibt, fragt zeitversetzt Strom nach oder speist selbst Strom ein. Das ist eine echte Herausforderung für das Netz.
Wie kann den Menschen die Angst vor dieser Transformation genommen werden?
Indem man sie in den Prozess einbezieht und immer wieder einlädt, mitzugestalten. Denn die Energiewende ist eine globale Transformation, die alle betrifft, aber lokal umgesetzt werden muss. Deshalb ist es so wichtig, dass möglichst viele mitmachen, um die dringend notwendigen Veränderungen gemeinsam vorzunehmen.
Sie beschäftigen sich in Ihrer Arbeit mit der Technikfolgenabschätzung. Um was geht es dabei und wie kann sie zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen?
In der Technikfolgenabschätzung, kurz TA, untersuchen wir technische Entwicklungen und bewerten sie. Wissenschaftlich-technischer Fortschritt verbessert nicht nur unser Leben, sondern bringt auch unerwartete und oft unerwünschte Folgen mit sich. Am ITAS tragen wir dazu bei, diese Potenziale sinnvoll zu nutzen, indem wir Handlungsoptionen aufzeigen. Dazu stellen wir Wissen bereit und zeigen beispielsweise mögliche Lösungsansätze für globale Herausforderungen wie den Klimawandel auf. So können wir gemeinsam mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einen Beitrag zur Gestaltung des Fortschritts leisten.
Das Beispiel Wärmepumpe zeigt, dass gute Kommunikation für gesellschaftliche Akzeptanz unabdingbar ist. Wo sehen Sie Ansätze, um Maßnahmen zur Energiewende besser zu kommunizieren?
Zu kommunizieren, wie und warum viele verschiedene Lösungen ineinandergreifen müssen, um Versorgungssicherheit für alle zu gewährleisten, ist eine Mammutaufgabe. Dafür sind einladende und interaktive Angebote vor Ort, wie die „Power2Change“-Ausstellung, sehr wichtig. Zwar kann man bei einzelnen Technologien wie Wärmepumpen selbst aktiv werden und individuelle Entscheidungen treffen. Beim Klimawandel als globales Problem geht das aber nicht – denn er betrifft uns alle, ob wir das wollen oder nicht. Daher gilt: Je vielfältiger die Kommunikationsangebote, desto nachhaltiger und zukunftsfähiger kann der Austausch zur Energiewende werden.
Zum Schluss: Wie können Menschen motiviert werden, die Energiewende bei sich im Kleinen zu gestalten?
Wir müssen zeigen, dass die Maßnahmen vor Ort funktionieren und dass die Gestaltung der Energiewende Spaß machen kann! Die Schwierigkeit besteht darin, dass es keine Standardlösungen gibt, wohl aber viele Erfolgsgeschichten. Es gibt eine Vielzahl von Ideen, die an unterschiedlichen Orten schon wunderbar funktionieren und bei denen sich persönliches Engagement auch finanziell auszahlen kann, wie bei Balkonsolaranlagen oder Energiegenossenschaften. Solche Beispiele sichtbar zu machen, hat aus meiner Sicht ein enormes Motivationspotenzial, weil es zeigt, wie Menschen für sich und doch gemeinsam erfolgreich an der Energiewende arbeiten.
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Bildnachweis: © Janine Gondolf
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Zur Person:
Janine Gondolf erforscht Wissenstransferprozesse in komplexen, potenziell konfliktreichen und politisierten interdisziplinären Kontexten. Um globale Transformationsaufgaben zu lösen, braucht es die Zusammenarbeit und das Wissen vieler. Am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) trägt Gondolf dazu bei, diese Prozesse zu verstehen und zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist das Kopernikus-Projekt ENSURE, das vielfältige Akteure zusammenbringt, um das Stromnetz zukunftsfähig zu gestalten.
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Pressekontakt:
experimenta
Thomas Rauh
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Verbundprojekt Wissenschaftskommunikation Energiewende
Ariane Trautvetter
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