Urlaub ist für viele die schönste Zeit des Jahres. Doch die freien Tage haben eine Schattenseite: Reisen belastet die Umwelt. Mit ihrem Start-up Charge Horizons möchte Lilith Diringer das Bewusstsein für die ökologischen Folgen schärfen, ohne die Reiselust zu mindern. Beim Nachhaltigkeitsfestival Wild Spaces in Heilbronn führt sie hinter die Kulissen der Reisebranche und gibt Tipps für einen nachhaltigen Urlaub. Wir haben vorab mit ihr gesprochen.
Was sind die größten Umweltsünden beim Reisen?
Das ist tatsächlich abhängig vom Ziel der Reise und von den Bedingungen in der Unterkunft vor Ort. Natürlich ist der Transport, vor allem das Fliegen, schädlich. Viele vergessen jedoch, dass auch in der Unterkunft viel anfällt, was die Umwelt belastet. Der Wasserverbrauch ist in Ferienunterkünften um ein Vielfaches höher. Gerade bei Kurzaufenthalten von ein bis zwei Nächten müssen Bettwäsche und Handtücher jedes Mal neu gereinigt werden. Auch All-You-Can-Eat-Buffets sind ein Fluch, weil viel Essbares in der Tonne landet. Dann gibt es noch die soziale Nachhaltigkeit: Mitarbeitende in der Reiseindustrie werden nicht selten mit Saisonverträgen hingehalten, es gibt starke Gefälle in den Gehaltsstrukturen und auch auf Inklusion wie etwa Barrierefreiheit wird selten geachtet.
Nachhaltig reisen, geht das überhaupt?
Jein. Rein ökologisch gesehen ist es schwierig, beim Reisen die negativen Umweltauswirkungen auf null zu reduzieren. Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass Reisen nachhaltig prägen und mitunter zu einem langfristig besseren Verständnis für verschiedene Kultur- und Naturräume führen können. Das Thema ist also sehr vielschichtig. Aber jeder, der zumindest auf einige Aspekte während der Planung und beim Reisen achtet, kann einen positiven Beitrag zum Erhalt der Umwelt leisten.
Mit der App ChargeHolidays hast du einen nachhaltigen Reisebegleiter auf den Markt gebracht. Wie hilft die App, den ökologischen Fußabdruck im Urlaub zu verkleinern?
Wir bringen Transparenz in den Siegeldschungel und erleichtern Reisenden die Entscheidung zwischen verschiedenen Unterkünften – basierend auf deren Nachhaltigkeitsmanagement. Dafür haben wir den „Nachhaltigkeitstraumfänger“, der abbildet, wie gut eine Unterkunft in unterschiedlichen Kategorien wie Mobilität oder Abfallwirtschaft performt. Der oder die Reisende lernt dabei selbst, auf was man während des Urlaubs achten kann, um nachhaltig zu sein, ohne dabei die Reiselust zu verlieren. Außerdem ist eine CO2-Kalkulation sowie -Kompensation integriert. Personen mit einem E-Auto können sich bei uns bei uns vergewissern, dass die Unterkunft vor Ort Lademöglichkeiten bietet, die auch zum Steckertyp ihres Fahrzeugs passen. Hinter all dem steht das Ziel, die Reisenden zu mündigen Entscheidungsträgerinnen und -trägern zu machen.
Wie kamst du auf deine Geschäftsidee?
Ich bin seit 2014 im Bereich Nachhaltigkeit sehr aktiv, unter anderem in verschiedenen Positionen im WWF und als Nachhaltigkeitscoach im netzwerk n. Immer wenn ich unterwegs war, habe ich an Hotelrezeptionen gefragt, ob Papier aus Recyclingmaterial und nachhaltige Tinte verwendet werden oder warum es am Buffet so wenige vegane Alternativen gibt. Ich habe so viele Negativ- wie auch Positivbeispiele gesehen, dass ich anfing, tiefergehend zu recherchieren. Nach zahlreichen Gesprächen mit Hotelbetrieben sowie anderen Reisenden war ich überzeugt davon, dass ich selbst dazu beitragen möchte, dass sich etwas ändert.
Was müsste noch geschehen, damit sich das Thema „grünes Reisen“ auch bei den großen Reiseveranstaltern etabliert?
Viele Reisende wollen nachhaltiger unterwegs sein, es fällt ihnen aber schwer, das wirklich umzusetzen. Damit dieses Interesse bei den großen Reiseveranstaltern ankommt, muss es für Kundinnen und Kunden möglich sein, dieses Bedürfnis zu kommunizieren und – gegen einen relativ geringen Mehraufwand – erfüllt zu bekommen. Gleichzeitig müssen Stereotype abgebaut werden, die sich noch in vielen Köpfen halten. Das klassische Narrativ, dass nachhaltiges Reisen gleichzusetzen ist mit Verzicht und Langeweile, ist längst überholt. Wir wollen, dass Nachhaltigkeit vom ersten Gedanken an die Reise bis zur langjährigen Erinnerung daran hipp, modern sowie salonfähig wird.
Info Wild Spaces
Die Wild Spaces sind ein Nachhaltigskeitsfestival für alle. In mehr als 100 Workshops und Vorträgen können Jugendliche, junge Erwachsene und alle Interessierten von 2. bis 5. Juni Neues ausprobieren und Ideen für die Zukunft entwickeln. Veranstaltungsort ist die Theresienwiese in Heilbronn. Mehr unter wild-spaces.de