Einen Backenzahn hat er gelernt zu ziehen, erzählt Astronaut Matthias Maurer. Auch eine Spritze könne er setzen oder eine Wunde nähen. „Eine Blinddarm-OP könnten wir hier allerdings nicht vornehmen.“ Matthias Maurer schwebt gerade 400 Kilometer über der Erde, als er die Frage des Schülers Till Möbus nach der medizinischen Versorgung im All beantwortet. Der Siebtklässler steht im Science Dome der experimenta auf der Bühne und schaut auf die riesige Leinwand vor ihm. Der deutsche Astronaut Matthias Maurer ist live von der Internationalen Raumstation ISS zugeschaltet und unterhält sich mit Schülerinnen und Schülern des Eduard-Mörike-Gymnasiums in Neuenstadt.
Der Astronaut wirkt entspannt, lässt immer wieder spielerisch sein Mikro in der Schwerelosigkeit kreisen, während er über Sicherheit und Leben an Bord plaudert. Die einmalige Gelegenheit, mit Maurer bei einem Videocall ins Gespräch zu kommen, erhalten die Jugendlichen, weil sie am Ideenwettbewerb „Beschützer der Erde“ der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR teilnehmen. Dabei untersuchen Schülergruppen die Klimazonen anhand Satellitendaten und entwickeln Ideen zum Schutz der Erde.
Folgen des Klimawandels sichtbar
Klar, dass die Klimakrise auch in der Liveschaltung ein Thema ist. So fragt der elfjährige Daniel Brander, ob Maurer von der ISS die Auswirkungen des Klimawandels erkennen kann. Die Antwort wirkt nach: Seen und Gletscher, die auf alten Karten eingezeichnet sind, seien entweder viel kleiner oder ganz verschwunden, erzählt der 51-Jährige. Auch Flammen im brasilianischen Regenwald, die bei illegaler Brandrodung entstehen, seien vom All aus zu beobachten. „Ich sehe, wie Menschen sich in die Lunge der Erde fressen.“ Dabei werde ihm im Weltraum besonders bewusst, wie schützenswert der blaue Planet sei. „Der Blick auf die Erde löst bei mir immer wieder Gänsehaut aus.“
Das Gefühl kennt der ehemalige Astronaut Reinhold Ewald gut, der das Gespräch mit seinem Kollegen Maurer in der experimenta moderiert. Der Professor für Physik war 1997 im All, damals auf der Raumstation Mir. Die Erfahrungen aus seiner Zeit dort brachte Ewald in die Konzeption und den Bau des Weltalllabors Columbus ein, das 2008 an der ISS andockte und in dem ESA-Astronautinnen und -Astronauten bis heute ihre Experimente durchführen. So auch Matthias Maurer.
Außeneinsatz geplant
Rund 150 Versuche wird der promovierte Materialwissenschaftler an der ISS durchführen, bis er am 22. April auf die Erde zurückkehren wird. Darunter sind Experimente aus der Medizin oder Biologie, aber auch, wie man Beton umweltfreundlicher herstellen kann. Auch ein Außeneinsatz ist geplant. Dabei wird Maurer einen Rettungsrucksack tragen, den er im Notfall zünden könnte, falls gleich beide Sicherungsleinen zur ISS reißen sollte, erzählt er den 53 Schülerinnen und Schülern im Science Dome.
Der Zeitplan eines Astronauten ist eng getaktet, deswegen heißt es nach 20 Minuten: „Grüße nach unten“. Matthias Maurer winkt noch einmal, dann wird die Leinwand schwarz. „Es war total cool und sehr lehrreich“, sagt Daniel Bander, der an seiner Schule die Raumfahrt-AG besucht. Auch der 14-jährigen Eda Temiz wird der Live-Talk in der experimenta in Erinnerung bleiben. „Es war ein unglaubliches Gefühl“, fasst sie zusammen. „Wann hat man schon mal die Möglichkeit, mit einem Astronauten im All zu sprechen?“